Edwin Kratschmer: Kampf um die Seele. Eine Stasi-Sache
edition mk, 2004, 48 Seiten

„Eines sonnigen Tags die Vorladung aufs Schloss: Zwecks Kaderfragen haben Sie sich dannunddann und dortunddort einzufinden. Am Tonfall schon erahnte ich die lauernde Gefahr. Da begann dann das Fandangospiel mit der Seele und das Hirn fing an, fieberhaft zu suchen: Wesnurwes hab ich mich schuldig gemacht? Und ich nahm mir das Strafgesetz-buch vor und arbeitete mich Paragraph für Paragraph hindurch, vor allem jene Polit- und Gummiparagraphen, nur ge-macht, um jeden für alles oder nichts in die Bredouille nehmen zu können. Ich schob mich unters Brennglas und stellte fest: Ich könnte tatsächlich in einem Dutzend Fälle schuldig sein. Das Schuldmaß schwang sich gar in astronomische Höhen und verschnürte mir den Hals, lange bevor sich da wer daran zu schaffen machte. Nachts griff dann der Kraken Angst nach mir… Als ich nach 48 Stunden quälerischen Selbstverhörs endlich das Schloss betrat, war mir klar, dass ich in jedem Falle ein zu Recht zu Verurteilender war."

Die diabolische Formel „Kampf um die Seele" ist ein Stasi-Zitat aus Kratschmers Akte „Lyriker", geführt von einem Oberstleutnant Henry Müller.
Dazu Kratschmer auf der Tagung „Operative Psychologie des MfS" 1993 in der Berliner Normannenstraße: „Ich habe den Kampf um die Seele damals gewonnen nicht weil ich ein Held gewesen bin, sondern nur, weil mein Gewissen nicht mitgemacht hat."