Edwin Kratschmer: Babelturm
Mutterlaut und Mördersprach. Von der Macht des Wortes
Lust-Ikon und Totentanz. Von der Macht der Bilder
Zwei Essays

Mit einem Nachwort von Friedhelm Berger
UND-Verlag Stadtroda 2011. 240 Seiten. 24.90 EUR, ISBN  978-3-927437-44-9

Der Essay ist für einen unsteten Geist wie K. eine Verführung. Er ist ihm ein weit offenes System. Essai an sich bedeutet „Versuch“ und er ist als Subjektreport irgendwo angesiedelt zwischen Wissenschaft, Kunst und Journalismus und ist doch keines davon. Schon Plutarch und Seneca bedienten sich der essayistischen Rede. Montaigne verschliff sie zu Sprachperlenspiel.
Der Mensch lebt in Bild und Sprache, ist bald Augentier und bald Wortemetz. Auf solche Abhängigkeiten verweist K. und er impliziert damit heilsame Wort- und Bildphobie. Er weiß: alle Kriege beginnen mit Wort- und Bildkriegen: Menschen können mittels Wort und Bild hochgerüstet und zu Taten angetrieben werden, bei denen ihnen nachher selbst das Grausen ankommen kann. K. weiß also um die affektive Wirkung von Mutterlaut und Dichterwort und um die lebenslange Prägung durch frühe Bildeindrücke ebenso wie um die Möglichkeit, dass Menschen dadurch zu Hyänen werden.
So bewegt sich K. in den Medien Bild und Sprache zwischen „Mutterlaut und Mördersprach“ und zwischen „Lust-Ikon und Totentanz“, eben zwischen Anbetung und Abschreckung. Er hofft darauf, dass dem Leser dabei zuweilen die eigene Sprache wegbleibt oder die Augen aufgehen vor diesen himmlischen Monstern.
K. also ein Moralist? Er stellt es nicht in Abrede, aber er fürchtet paranoisch die Moralkeulen von Fanatikern und Exorzisten, für die es nur Himmel oder Hölle gibt, Gott oder den Teufel.  
Friedhelm Berger

Dies ist ein im besten Sinne unzeitgemäßes Buch. Kratschmer präsentiert sich als engagierter Aufklärer und Humanist, der weiß, dass der Mensch von Natur aus böse ist (Stichwort: Aggressionstrieb; Homo homini lupus), dass das immer so war und immer so sein wird, dass der Homo sapiens als biologisches Wesen selbstverständlich eine Natur hat. […] Hier schreibt kein Fachidiot ein jargonlastiges Fachbuch für Fachkollegen, sondern wirklich ein umfassend gebildeter Wissenschaftler schreibt für alle, die das Thema Gewalt in all seinen Dimensionen interessiert. Keine leichte Kost. Aber es lohnt sich ungemein.
Dietrich Hucke