Edwin Kratschmer / Ulrich Zwiener (Hg.):
Jürgen Fuchs – Poesie und Zersetzung
Eine Poetik-Vorlesung
Collegium Europaeum Jenense • Universitätsverlag Jena 1993 • 100 Seiten. ISBN 3–925978–23–2

1793 notierte der Generalsuperintendent Herder sein philosophisches Weh: "Das Menschengeschlecht, wie es jetzt ist und wahrscheinlich lange noch sein wird, hat seinem größten Teil nach keine Würde", und "wir sinken, höhere und niedere Stände, zur rohen Tierheit, zur Brutalität zurück".
Zweihundert Jahre später und fast auf den Tag genau eröffnete auf Einladung Edwin Kratschmers der 1975 von der Friedrich-Schiller-Universität verjagte Schriftsteller Jürgen Fuchs eine Vorlesungsreihe "Literatur zu Beförderung der Humanität" mit der Vermeldung:
"Trotz Herder, Schiller, Goethe und Hölderlin, mitten im einladenden schönen Sommer: Häuser brennen, in denen Menschen schlafen... Jemand legt Feuer... Er ist jung, er ist alt... Stiefel, Schnürschuhe, Schläger, er trank die schwarze Milch der Frühe, trank sie ganz aus, die schwarze Milch des Hasses..."
Und der Dichter Jürgen Fuchs, geboren im Jahre 5 nach Auschwitz und hineingeboren in den Staat DDR, als Stalin dessen Abgott noch war, sprach von seinen Erfahrungen mit dem Totalitarismus in diesem Staate, wo die Menschenrechte weitgehend ausgeschaltet waren und eine geheime Polizei agierte, von deren Perfektionismus die Fouché und Metternich einst nur hatten träumen können: das gesamte Künstlervolk eines Staates auf dem ideologischen Prüfstand mit der Zielstellung, alles Anders-Artige "zu zersetzen, zu zerschlagen, zu liquidieren".